Mach dein Ding

Anfang Januar 1984 von Skid Byers (Gesang), Hanzy Nischwitz (Gitarre), Nigel Degray (Bass) und Tom Peterson (Schlagzeug) in Berlin gegründet, orientierten sich die vier Musikanten zu Beginn ihrer Laufbahn nicht nur an Bands wie The Damned, The Cure oder den Banshees sondern eben auch an den Stones, den Beatles, den Kinks, MC5, Who, den Doors, Jefferson Airplane, Cream und vielen weiteren Gruppen der 1960er und auch der 1970er Jahre wie zum Beispiel T. Rex oder David Bowie.

„Ich finde das völlig in Ordnung, so in die Geschichte zurückzugucken und sich Leute wie Velvet Underground oder die Stooges anzuhören, die einfach ihr Ding durchzogen. Man sucht doch immer nach Einflüssen“, gab Gitarrist Hanzi Nischwitz die Vorbilder von Marquee Moon in einem Interview im Juni 1985 preis. Und weiter: „ Ja, so'n bißchen wild und hart - wir wollen auf jeden Fall unser Ding durchziehen. Wir leben nicht in den Sechzigern, wir leben hier und heute.“  (5) Was Marquee Moon aus diesen Vorbildern machte, stempelte sie zu einer der ungewöhnlichsten Bands in Berlin und Westdeutschland. Mit Candy and the golden flies war ihnen ein überzeugendes Beatstück gelungen, das die Yardbirds zu ihrer Zeit ohne Schwierigkeit zu einem Tophit gemacht hätten. „Wenn man darüber liest, denkt man, wir machen nur so’ne Stücke, und das ist eben falsch“, wollte sich Sänger Nigel Degray im gleichen Interview von anderen Bands abgrenzen. „Wenn überhaupt, möchten wir uns in der Psychedelic-Ecke angesiedelt sehen“, stellte Manager und Ex-Sänger Skid Byers dazu abschließend fest. (6)  Im „Rocklexikon Deutschland“ wird Gitarrist Hanzy Nischwitz dazu folgendermaßen zitiert: „Wir sind die Antwort der 80er Jahre auf die Sixties, aber keine Revival-Band“.  (7)

 

                                                      
 

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Den Begriff schwarze Szene gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht und viele wussten nicht einmal, was Ska oder Oi war. Vielleicht kannte man Cure, Police und Depeche Mode, aber auch der Begriff  „Gothicrock“ war noch nicht durchgängig etabliert. Allenfalls war New Wave eine Definition, mit der einige etwas anfangen konnten. Das kann man sich heute kaum vorstellen. Damals gab es außerhalb großer Städte wie Berlin (West), Hamburg oder Frankfurt kaum so etwas wie eine eigene Subkultur. Und selbst in den vorgenannten Städten war diese Szene noch recht überschaubar. Dort gab es auch nur eine handvoll Treffs, wo sich New Waver, Punks, New-Romantics oder Rockabillys gleichzeitig trafen, um rumzuhängen, Musik zu hören und zu tanzen. In weiten Teilen der Bundesrepublik gab es in den jeweiligen größeren Städten also meist nur eine handvoll Punks oder New Waver, die auch versucht haben, sich entsprechend zu kleiden. Viele von den „Normalos“ haben zwar auch diese Musik gehört, aber das war's dann auch schon. Und viele Bands, die sich damals gründeten, wussten nicht einmal, dass sie in den New Wave/Dark Wave Stil hineinpassten.

Lediglich in Westberlin war das etwas anders. Da hatten sich bereits wesentlich früher gefestigte Subkulturen mit einer zur Bundesrepublik vergleichsweise großen Gemeinde entwickelt. Da waren bereits Strukturen vorhanden, bevor diese überhaupt ansatzweise in der BRD existierten. Da kannte man schon Bandnamen, die man anderswo noch nie gehört hatte, wo andernorts für die meisten einfach nur ein Fragezeichen stand. (8) Deshalb waren die Marquee Moons am Anfang ihrer Karriere westdeutschen Bands möglicherweise einen Schritt voraus. Sie kannten die ganzen neuen Bands aus England und Amerika, kannten auch die Punkbands der ersten Stunde und waren von ihnen fasziniert und begeistert. Ramones, Sex Pistols, Killing Joke, The Undertones, The Exploited, Dead Kennedys, The Clash, The Damned… um nur einige zu nennen. Das war der Stoff, aus dem ihre musikalischen Träume waren, so etwas wollten sie auch machen. Beeinflusst nicht nur durch die Sixties sondern auch von Bands wie Play Dead, Bauhaus oder The Chameleons, suchten sie nach ihrem Weg und ihrem eigenen Stil. Ihr Bandname bezog sich auf den gleichnamigen Titel eines Albums der amerikanischen Band Television und bedeutet etwa soviel wie „Mond der Verliebten“. (9)
Hartnäckig hält sich das Gerücht, der Name bezöge sich auch auf eine Textzeile aus einem Song von The Damned. Dies stimmt aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch nicht.

 

Schublade auf, Schublade zu

Auf der Suche nach ihrem „eigenen Ding” war die Band allerdings verdammt schnell. Bereits mit ihrer ersten Single  Don’t go out tonight  versetzten sie im Frühjahr 1984 Publikum und Kritiker in Erstaunen. Diese eigenständige Art von Gitarrenmusik hatte es in Deutschland bisher so noch nicht gegeben. Selbst John Peel, der berühmte Radiomoderator im fernen England, war begeistert. Und Marquee Moon legten kurz darauf noch einmal kräftig nach. Mit besagtem Candy and the golden flies und einem weiteren Song auf dem Berlin Visions- Sampler. Hier überzeugten sie ohne Abstriche. Durch Candy and the golden flies und The poison is working gerieten sie jedoch sofort in die Sixties-Ecke. Die Berliner Jugendzeitschrift „Blickpunkt“ meinte darum auch: „Marquee Moon ist eine Beatband mit psychedelischen Anklängen“. (10) Der Rezensent der bundesweit erscheinenden „Musik Szene“ schrieb dazu im Mai 1985: „Die zwei Songs und ihre erste Single [Don’t go out tonight ] verraten eine schizophrene Kollision von Sixties und Eighties. Doors, Velvet, Yardbirds und Magazine, U2, frühe Cure sage ich mal. Sie wehren sich natürlich gegen solche Schubladen, aber die beste Beschreibung für den normalen Plattenkäufer ist doch immer noch der Vergleich mit Dingen, die man kennt, oder? Vor allen Dingen wehren sie sich gegen eine Revival/Psychedelic-Einordnung. In der Tat glaube ich, daß Marquee Moon die momentane Psychedelic-Welle als eine der wenigen Bands überleben werden. Gitarrist Hanzy Nischwitz zum Beispiel vergleicht sich gerne mit Andy Summers. Er spielt treibend, glasklar und differenziert. Potential. Und Nigel, Bassist und gerade Sänger geworden? Ein fanatischer Tüftler; wenn er eine Songidee hat, löst er sich gänzlich von dieser Welt und überhört sogar ein Telefonklingeln. Das Ergebnis ist ein Song wie The poison is working“. (11)

                                                        

 

                                                ____________________________________________

                                                    Lies bitte weiter bei:  Geburt einer Legende

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

___________________________________________________________________________

 

© 2012 indiemusicscene.webnode.com. Alle Rechte vorbehalten.

 

___________________________________________________________________________